Gemeinsame Diskussionstagung der Deutschen Rheologischen Gesellschaft (DRG) und der ProcessNet-Fachgruppe „Rheologie“, Date: 2017/03/13 - 2017/03/14, Location: Berlin (Gemany)

Publication date: 2017-03-14

Author:

Bossler, Frank
Maurath, Johannes ; Willenbacher, Norbert ; Koos, Erin

Abstract:

Durch die Zugabe einer kleinen Menge einer zweiten mit der Hauptphase nicht mischbaren Flüssigkeit können die rheologischen Eigenschaften einer Suspension sehr stark verändert werden: Aus einer zuvor verhältnismäßig dünnflüssigen Suspension mit nur schwach elastischen Eigenschaften entsteht so eine gel-artige Kapillarsuspension mit ausgeprägter Fließgrenze. Abb. 1 zeigt ein Beispiel für eine solche Kapillarsuspension. Ursache der grundlegenden Änderungen in den rheologischen Eigenschaften sind attraktive Kapillarkräfte zwischen den Partikeln, die durch die zugegebene Zweitphase hervorgerufen werden und zur Ausbildung eines perkolierenden Partikelnetzwerks führen [1]. Abb. 1: Hydrophobes CaCO3 in Diisononylphtalat mit kleinen Mengen an zugegebenem Wasser [1]. Kapillarsuspensionen können zur Formulierung einer Vielzahl innovativer Pasten genutzt werden, z.B. als Precursor für keramische Membranen mit optimierter Porosität, Porengröße und Festigkeit [2], für druckbare Frontkontakte von Solarzellen, mit denen sich dünne Linienprofile auf einfachem Weg realisieren lassen [3], für die Herstellung von Li-Ionen-Batterie-Elektroden mit hoher Beschichtungsgüte und verbesserten elektrochemischen Eigenschaften [4], bei der Herstellung rissfreier Schichten anorganischer Materialien oder bei der Formulierung stabiler Koks-Slurries bei der Verwertung minderwertiger Biomasse [5]. Die Rheologie von Kapillarsuspensionen wird entscheidend durch deren Mikrostruktur bestimmt. Für gezielte Produktentwicklung ist ein grundlegendes Verständnis dieser Mikrostruktur daher unerlässlich. Neben physikalischen Stoffeigenschaften wie Partikelgröße und Grenzflächenspannung wird die Mikrostruktur sehr stark durch die Herstellmethode beeinflusst. Unterschiedliche Mischbedingungen wirken sich hier wesentlich auf Tropfenaufbruch, Partikelagglomeration und Netzwerkbildung aus. Große Partikelagglomerate und ein schlechter Tropfenaufbruch führen zu einer inhomogenen Struktur und einer entsprechenden Verringerung der Fließgrenze [6]. Eine weitere strukturelle Grundlagenuntersuchung wird im Vortrag beispielhaft vorgestellt. Für Al2O3-basierte Kapillarsuspensionen, die als Precursor für Keramiken genutzt werden, wird eine Masterkurve zur Vorhersage der Fließgrenze dargelegt. Grundlegende Abhängigkeiten der Mikrostruktur von der Partikelgröße als auch vom Dispersphasenanteil der Al2O3-Partikel lassen sich direkt aus dieser Masterkurve ableiten. Die Abhängigkeit der Fließgrenze vom Dispersphasenanteil gehorcht einem Potenzgesetz. Mittels rheologischer Modelle ist eine direkte Kopplung des Exponenten des Potenzgesetzes mit der fraktalen Dimension des Partikelnetzwerks möglich, welche einen anschaulichen Parameter zur Beschreibung der Netzwerkstruktur darstellt. Ebenso lassen sich wesentliche Strukturparameter auch aus anderen rheologischen Experimenten, wie z.B. aus oszillatorischen Scherversuchen ableiten. Konfokale Mikroskopie liefert eine weitere Möglichkeit zur Strukturaufklärung durch direkte Bildgebung. Alle drei genannten Methoden zeigen einen Anstieg der fraktalen Dimension mit zunehmender Partikelgröße. [1] E Koos, N Willenbacher, Science 331 (2011) 897-900. [2] J Maurath, J Dittmann, N Schultz, N Willenbacher, Sep. Purif. Technol. 149 (2015) 470-478. [3] M Schneider, E Koos, N Willenbacher, Sci. Rep. 6 (2016) 31367. [4] B Bitsch, T Gallasch, M Schroeder, M Börner, M Winter, N Willenbacher, J. Power Sources 328 (2016) 114-123. [5] L Jampolski, A Sänger, T Jakobs, G Guthausen, T Kolb, N Willenbacher, Fuel 185 (2016) 102-111. [6] F Bossler, L Weyrauch, R Schmidt, E Koos, Coll. Surf. A 518 (2017) 85-97.